18.09.2015: Covadonga - Oviedo

Heute fahren wir mit dem Bus nach Oviedo, von wo wir morgen auf den Camino Primitivo starten werden. Wir sind so früh dran, dass ich endlich Zeit dazu habe, mir ganz in Ruhe die Kathedrale und die Cámara Santa, die heilige Kammer, anzusehen. Eine gute Idee, denn weil im Moment die Zeit der Kreuzerhörung (das hängt zusammen mit der Wiederauffindung des Kreuzes Christi durch Kaiserin Helena, Mutter von Konstantin dem Großen, um 350. Erhören heißt in diesem Zusammenhang, die Ausstellung einer Reliquie) ist, ist auch das Grabtuch von Jesus Christus ausgestellt.


Ich bin mit Reliquien immer ein bisschen vorsichtig. Wer kann schon wirklich sagen, ob die echt sind? Hat das Kreuz wirklich über 300 Jahre irgendwo gestanden, ohne zwischendurch als wärmendes Feuer zu enden? Ich meine, gut genug abgelagert war es doch inzwischen. Auch beim Grabtuch regen sich bei mir Zweifel: Ist es wirklich möglich, ein Stück Stoff so lange aufzubewahren. Es ist jetzt luftdicht abgeschlossen, aber das ja nun noch nicht sooo lange.

 

Ich denke, am Ende ist das auch gar nicht sooo wichtig, ob Reliquien nun echt sind oder nicht. Sie machen das Gefühl, Gott ein Stückchen näher zu sein, macht ihn ein bisschen greifbar, weniger abstrakt. Was sollte daran falsch sein?

Mit der Bibel ist es doch ganz ähnlich: Wer sagt, dass sie heute wirklich noch das Gleiche aussagt, was ihre ursprünglichen Verfasser/die Apostel so geschrieben haben. Inzwischen ist sie so oft hin und her übersetzt und kopiert worden und ich habe keinen Zweifel daran, dass jeder, der wenigen Schreibkundigen, die sich an ihr zu schaffen gemacht haben, jeder ein bisschen von sich und der Weltanschauung seiner Zeit hineingebracht hat. Aber das macht sie doch nicht weniger wichtig oder gar wertlos. Dass Gott Eva nicht aus einer Rippe Adams geschnipselt hat, ich denke, das ist uns allen klar. Wer weiß: Vielleicht versteckt sich unsere Entstehungsgeschichte eher in der von Noah und seiner Arche. Schließlich ist alles Leben irgendwann irgendwo aus dem Wasser gekrochen. Also stimmt die Bibel ja wieder - nur eben ein bisschen anders.

 

Das ist das Grabtuch

 

Sehr schön finde ich auch die Geschichte um dieses Kreuz, das von Gott selbst und aus himmlischen Händen stammen soll. Angeblich wurde es von zwei Engeln geschaffen, die schnell Reißaus nahmen, als man sie für ihre Arbeit entlohnen wollte. Mal ehrlich: Das können nur Engel gewesen sein. Ein Mensch hätte unter Garantie die Geldkatze geöffnet - nicht aus bösem Willen, sondern schlicht und ergreifend, weil er Nahrung braucht.

 

Ich verbringe jedenfalls ganz lange in der Cámara Santa und der Kirche überhaupt. Letztes Jahr hatte ich erst nicht die Zeit dazu und dann war sie geschlossen. Da ist mir einiges entgangen, denn sie ist ziemlich beeindruckend.

 

Anschließend bin ich doch mal neugierig, denn ich habe gelesen, dass die Herberge verlegt worden ist. Also gehe ich dahin, wo sie vorher war und treffe dort Urs, meinen ersten Pilger in diesem Jahr - also von unserer Gruppe einmal abgesehen. Mit ihm gemeinsam mache ich mich auf die Suche nach der neuen Herberge und finde sie in einem ehemaligen Fabrikkomplex - nicht schön, aber viel größer als vorher mit viel mehr Betten. Aber ganz ehrlich: Vom Drumherum her hat es keine Verbesserung gegeben. Für alle, die es interessiert: Sie liegt jetzt genau auf der gegenüberliegenden Seite des Parks in einer Parallelstraße zu der, die am oberen Ende des Parks entlangführt, der Calle Leopoldo Alas 20.

 

Und weil wir ja genau rechtzeitig zur Fiesta de San Mateo in Oviedo sind, dem größten Fest hier in der Stadt, verbringen wir den Abend auf dem Platz vor der Kathedrale beim Konzert einer keltischen Musikgruppe. Das ist so schön! Nur, als auf der Bühne getanzt wird, kriege ich einen Klöppel im Hals und schicke einen Blick nach oben an unsere Nachbarin, der ich im vergangenen Jahr meine zweite Compostela gewidmet habe. Es hat sie leider nicht gesund gemacht und sie fehlt mir.

 

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