30.09.2015 Sobrado dos Monxes - O Pedrouzo de Arca

Heute habe ich IN der Herberge geschlafen, nicht, wie letztes Jahr, davor (also auf der Innenwiese mit dem Himmel über mir. Letztes Jahr habe ich nämlich meinen Schlafsack geschnappt und mich draußen hingelegt, weil es da so schön war! Und es war die erste Nacht, die lauschelig war und nicht kalt, nass und hässlich. Außerdem ist rundherum alles zu und ich habe mich ganz sicher gefühlt.). Für mich war das eine neue Erfahrung, für andere leider nicht, weil mein Husten nach der Kirchenbesichtigung nur noch schlimmer geworden ist und ich, wie ich inzwischen zugeben muss, was ich bis zu diesem Camino rundweg einfach nicht geglaubt habe, doch tatsächlich ....

 

Ich bin es durch die Bauchfü0ler ja gewohnt, hier und da ein bisschen zu recherchieren. Einerseits, weil ich nicht gerne mit Fakten und Ausdrücken um mich werfe, die ich nicht verstehe, andererseits, weil ich es total spannend finde, was ich manchmal herausbekomme. Zum Begriff "Schnarchen" (leider auch ein Fakt, mit dem ich um mich werfe, habe ich folgendes gefunden:

Mit Schnarchen (med. Rhonchopathie (von griech. rhenkos/

rhankos = schnauben und pathie = leiden (wobei ich das ein bisschen irreführend finde, weil der Schnarcher selbst ja nur dann leidet, wenn er sich selbst wachgegrunzt hat) bezeichnet man ein knatterndes Geräusch, das in den oberen Atemwegen eines Schlafenden wird. Mit zunehmendem Alter (Hallo! Was für ein Alter?!) schnarchen rund 60 % der Männer und 40 % der Frauen (ich hatte schon immer eine Schwäche für Minderheiten). 

 

 

In Boimorto gönne ich mir noch eine Tasse Kaffee und bekomme so viele Kekse dazu, dass es mir schon fast unangenehm ist, sie zu essen. Aber nun denn, ein Mensch wächst ja daran, auch unangenehme Dinge zu tun, und nicht daran, ihnen aus dem Weg zu gehen, also esse ich sie trotzdem ... lege aber auf mein Tellerchen noch ein Extratrinkgeld, weil ich ja nun das Unangenehme schon hinter mir habe und der Mensch ja auch an seiner Großzügigkeit wächst.

 

Dann mache ich mich auf nach Arzúa. Ach Kinders, manchmal ist es nicht wirklich gut, wenn man weiß, welcher Weg vor einem liegt. Hier ist das jedenfalls so. Ich weiß ja, dass das nur Straße ist, und glaubt mir: Schön ist das nicht.

 

M. hatte mir zwar erzählt, dass man teilweise auf Wirtschaftswege ausweichen kann, aber ich finde keine entsprechende Markierung, mein Handy gibt langsam aber sich den Geist auf, so dass ich es als Hilfe auch nicht hernehmen kann, so klicke ich also mein Hirn aus (was ja nun ... Lach! Thomas würde jetzt fragen: Was, bitte?) und schlupfe vor mich hin.

 

In Arzúa überlege ich, was denn nun weiter zu tun ist: Soll ich hier bleiben? - Mag ich eigentlich nicht. Soll ich nach O Pedrouzo weitergehen? - Das habe ich letztes Jahr gemacht, aber fragt nicht! Ich wusste, dort endlich angekommen, kaum noch, ob ich Männlein oder Weiblein bin und war total meschugge. Aber in O Pedrouzo ist die schöne Herberge, in der ich gerne wieder übernachten würde ... Da stehe ich auch schon an einer Bushaltestelle und schäme mich auch nur ganz wenig. Gut, würde ich mich da stehen sehen, würde ich ganz sicher auch vollmundig über die schimpfen, die da einfach ein Stück mit dem Bus gefahren ist, aber weil ich mir ja höchstens noch in Santiago im Vorbeilaufen begegnen würde, wo ich mich aber gar nicht mehr erkenne, weil ich mir mein Gesicht nicht gemerkt hätte, wäre das dann auch nur halb so schlimm für mich. Also gucke ich ein bisschen unauffällig, bis der Bus endlich kommt, steige ein und rutsche ein bisschen in meinem Sitz tiefer.

 

 

In O Pedrouzo ist es wieder komisch für mich: Seit Arzúa bin ich ja nun wieder auf dem Camino Francés (oder der Camino Francés auf dem Camino Primitivo, so hat es jedenfalls David, der Hospitalero im wahren Sinne des Wortes von Bodenaya, ausgedrückt, weil der Camino Primitivo ja der ursprüngliche Weg ist und der Francés erst später kam). Die Pilger hier kennen sich zum Teil schon ganz lange, freuen sich, wenn sie sich begegnen, umarmen sich, lachen fröhlich miteinander ... und ich bin allein. Aber neinneinnein, alles ist gut: Ich bin manchmal sehr gerne allein, auch wenn sich die Allermeisten das nicht vorstellen können.

 

 

 

Darum fällt es mir auch so schwer, mich auf die Worte des Herrn einzulassen, der das Bett neben mir beliegt: Er kommt aus den USA, ist 80 Jahre alt und hat groooßen Redebedarf. Mir fällt es eh schwer, mich aus solchen Situationen heraus- zuziehen; bei jemandem, der so viel älter ist als ich, ist es noch viel weniger leicht. - Dabei muss ich ein bisschen in mich hineingrinsen, denn ich sehe "Alter" irgendwie noch immer mit den Augen einer höchstens 20jährigen, dabei ist 80 jetzt gar nicht mehr sooo weit von mir entfernt - nicht so weit wie 20. Heideröslein!, ich stehe 80jährigen altersmäßig näher als 20jährigen! Nee, ne! - Das heißt ja auch, dass ein 20jähriger mich mit den gleichen Augen sieht, wie ich diesen Herrn. Nee, ne! Neeeee! Eine junge, sehr nette Verkäuferin hat mir ja schon einmal angeboten, das Kleingedruckte auf einer Packung für mich zu lesen, aber so gesehen bin ich ja dann schon so weit, dass man in Zug oder Bus für mich aufsteht! Neeeeeeee! Da grauselt mir! - Schnell ein anderes Thema:

 

Als er zur Toilette muss, schnappe ich mir schnell meine Jacke und verschwinde. Und jetzt nehme ich auch meine Jacke und verschwinde aus diesem Tag, weil das mit dem Alter nach oben oder unten, das krieg ich so schnell nicht aus meinem Kopf.

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